Beeindruckt von der musikalischen Literaturlesung der Geigerin Judith Stapf, die im März zusammen mit Christoph Ahrweiler, Inhaber der Buchhandlung Kayser, zu Besuch in der Gesamtschule Rheinbach war und dort anhand des Romans ´Spiel mir das Lied vom Leben´ über ihre Begegnung mit Jerzey Gross erzählte, beschäftigte sich die Klasse 9.2 mit ihren beiden Klassenlehrerinnen Frau Beißel und Frau Depping fächerübergreifend mit der Thematik des Antisemitismus.
So besuchte der Grundkurs Deutsch bereits vor dieser Lesung im Februar die Sonderausstellung im Rheinbacher Rathaus über das Vernichtungslager der Nationalsozialisten ´Malyj Trostenez´ bei Minsk. Die Schülerinnen und Schüler erfuhren von dem Schicksal jüdischer Menschen, u.a. auch Rheinbacher, die über ein Zwischenlager in Bonn-Endenich nach Malyj Trostenez deportiert und dort getötet wurden.
Während einer Führung am 02.Mai in der Alten Synagoge in Köln hörten die Schülerinnen und Schüler, die sich im katholischen Religionsunterricht bereits intensiv mit dem Judentum beschäftigt hatten, wie groß aktuell immer noch die Gefahr ist, die von antisemitisch denkenden Menschen in nächster Umgebung ausgeht. Erschrocken und betroffen zugleich waren die Schülerinnen und Schüler über den Eingangsbereich der Synagoge, der als ´Schleuse´ wie in einem Hochsicherheitstrakt vor wenigen Jahren noch zusätzlich mit Panzerglas gesichert werden musste und die Tatsache, dass die Synagoge Tag und Nacht von einem Polizeibus bewacht wird. Der Zeitungsbericht über den Rabbiner dieser Synagoge, der wenige Wochen zuvor in einer Kölner Straßenbahn öffentlich massiv beschimpft wurde, war ihnen ebenfalls bekannt.
Die junge Jüdin, die die Klasse durch das Gotteshaus führte, berichtete sehr eindrucksvoll über die Gottesdienste, den jüdischen Glauben und die jüdischen Bräuche. Sie zeigte sich offen für viele Fragen, die die Schülerinnen und Schüler mitbrachten. Sie erzählte offen über die Bedrohungen, denen jüdische Menschen heutzutage wieder ausgesetzt sind und berichtete, dass Drohbriefe bzw. Emails inzwischen nicht mehr nur anonym eingingen, sondern einen Absender haben.
Inspiriert durch diesen Unterrichtsgang wuchs bei einigen Schülerinnen und Schülern der Klasse 9.2 das dringende Bedürfnis, ´etwas´ tun zu wollen. Die Vorstellung des Projektes ´Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage´, das sich gegen jede Form von Ausgrenzung stark macht und das Bewusstsein durch eine regelmäßige Beschäftigung mit der Thematik wach hält, begeisterte, so dass sich spontan eine Initiatorengruppe aus sechs Schülerinnen und Schülern der Klasse 9.2 gründete. Annika, Franziska, Hendrik, Lea, Paul und Vicky überlegten zusammen mit ihrer Lehrerin Frau Beißel, dass sie das anstehende Schulfest der Gesamtschule im Mai nutzen könnten, um die Unterschriftenaktion zu starten. Nach kurzer Zeit hatten sie so viele Unterschriften gesammelt, dass das Projekt bei der Bundeskoordinationsstelle in Berlin für die Gesamtschule Rheinbach beantragt werden konnte.
Die Freude war groß, als Ende Juni der Brief aus Berlin ankam, dass unsere Schule nun alle Voraussetzungen einer ´Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage´ erfüllt hat und wir im kommenden Schuljahr die feierliche Titelverleihung planen können.
In der vorletzten Schulwoche besuchte die Klasse 9.2 mit ihren beiden Klassenlehrerinnen die NS-Ordensburg Vogelsang bei Schleiden. Die Schülerinnen und Schüler konnten sich in einer mehrstündigen interessanten und handlungsorientierten Führung aktiv mit der Geschichte und dem Gelände dieser ehemaligen Eliteschule Hitlers auseinandersetzen.
Sie erfuhren wie dort ab 1936 systematisch, durch ´ideologische Schulung´ und einer extremen Sportausbildung, Jugendliche und junge Männer zum zukünftigen Führungsnachwuchs der NSDAP herangezogen wurden. Ziel war die Schaffung eines sogenannten ´Herrenmenschen´, der sich – hart wie Stahl – vor allem durch bedingungslosen Führungsgehorsam, ein menschenverachtendes Rassendenken und Emotionslosigkeit auszeichnete.
Nachdenklich und betroffen reagierten die Schülerinnen als sie erfuhren, dass auch diese Gedenkstätte inzwischen wieder vermehrt von Menschen aufgesucht wird, die Rassismus, Rechtsextremismus und eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit erneut aufleben lassen wollen und ein auf demokratischen Werten beruhendes vielfältiges Miteinander ablehnen. Für die SchülerInnen der Klasse 9.2 ist dies Grund genug und bestärkt ihr Vorhaben, an einer ´Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage´ andere Werte zu leben und dies durch unterschiedliche Projekte fortwährend zum Ausdruck zu bringen.
Autorin: Birgit Beißel